Der Brexit beherrscht in diesen Tagen die politische Diskussion im Land. Die Mehrheit der britischen Wähler hat beschlossen, dass ihr Land nach 43 Jahren aus der Europäischen Union austritt. Die Konsequenzen dieser Entscheidung sind in ihren Einzelheiten noch gar nicht klar. Sie werden aber einschneidend sein.
Die meisten Deutschen schütteln wohl mit dem Kopf vor Unverständnis für diese radikale Abkehr von Brüssel. Gleichzeitig berichten die Medien über Umfrageergebnisse, nach denen mehr als 60 Prozent der Befragten keinen weiteren Ausbau der Befugnisse der EU für Deutschland wünschen.
Es ist wohl keine britische Besonderheit, den Institutionen der Europäischen Union mehr oder weniger kritisch gegenüber zu stehen. Meist sind es rechte Parteien wie die AfD, die sich da lautstark zu Wort melden und kein gutes Haar an der europäischen Einigung lassen.
In Frankreich, Holland und einigen osteuropäischen EU-Mitgliedsländern sind ebenfalls solche Tendenzen zu beobachten. Ihrer Kritik liegt zwar ein abstruses Weltbild von Vorgestern zu Grunde, aber es gibt auch Entwicklungen in Europa die berechtigt kritisch aufgegriffen werden. Hier sind vor allem Bürgerferne, fehlende Transparenz der Entscheidungen und Demokratiedefizite zu nennen.
Ein aktuelles Beispiel: Eine Woche nach der Brexit-Watsche erklärte Jean-Claude Juncker, der Präsident der Europäischen Kommission in Brüssel, das umstrittene Freihandelsabkommen CETA könne allein vom Europa-Parlament und der Kommission abgeschlossen werden, eine Zustimmung der nationalen Parlamente, also auch des Bundestags, sei nicht erforderlich.
Noch ein Beispiel: Die Staaten der Europäischen Union konnten sich im Juni nicht auf eine weitere Zulassung des Monsanto-Pflanzengifts Glyphosat verständigen, das wegen seiner vermutlich krebserregenden Eigenschaften nicht nur bei uns immer mehr auf Ablehnung stößt. Das bedeutet eigentlich: die Zulassung kann nicht verlängert werden. Was macht die Kommission? Sie erteilt eine vorläufige Verlängerung der Zulassung für 18 Monate. Transparenz der Entscheidung? Fehlanzeige. Wir dürfen uns vorstellen, wie die Drähte der mächtigen Monsanto-Lobbyisten in Brüssel heißlaufen.
Im Zusammenhang mit dem Brexit-Volksentscheid kann man von Politikern und Medien nun hören: „Da seht ihr, was passiert, wenn wir das dumme Volk entscheiden lassen.“ Das darf nicht unwidersprochen bleiben. Treffen gewählte Politiker nicht auch hin und wieder „dumme“ Entscheidungen? Das Volk muss entscheiden können, wenn Regierungen (die EU-Kommission ist auch eine) und Parlamente offensichtlich nicht den Willen ihrer Wählerinnen und Wähler repräsentieren. Dazu müssen die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden.
Aber klar muss auch sein: Wir brauchen die Europäische Union. Die Europäische Union braucht allerdings dringend Reformen, mehr Demokratie, Bürgernähe und Transparenz. Da müssen wir Europäer uns einmischen. [ln]
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